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Vorschlag für eine Neueinteilung der Wahlkreise für die Wahl zum Niedersächsischen Landtag

Mit Urteil vom 16. Dezember 2024, Az. StGH 5/23, hat der Niedersächsische Staatsgerichtshof entschieden, dass der nach der Anlage zu § 10 Abs. 1 des Niedersächsischen Landeswahlgesetzes (NLWG), neu gefasst durch Bekanntmachung vom 8. Februar 2017 (Nds. GVBl. S. 20), geändert durch Gesetz vom 16. Dezember 2021 (Nds. GVBl. S. 925), maßgebliche Zuschnitt der Wahlkreise für die Wahl zum Niedersächsischen Landtag mit Artikel 8 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung (NV) unvereinbar ist.

Aus dem in Artikel 8 Abs. 1 NV niedergelegten Grundsatz der Wahlgleichheit folgt die Verpflichtung des Gesetzgebers, eine möglichst weitgehende Angleichung der Wahlkreise herbeizuführen, so dass die in den Wahlkreisen Gewählten annähernd dieselbe Zahl von Wählerinnen und Wählern repräsentieren. Abweichungen von der durchschnittlichen Wahlkreisgröße sind daher nur bis zu einem gewissen Grad erlaubt. Die zulässigen Abweichungstoleranzen hat der Staatsgerichtshof in seiner Entscheidung allerdings abweichend von der bisherigen niedersächsischen Staatspraxis, die bei der Wahlkreiseinteilung einen frei nutzbaren Abweichungsrahmen von 25 Prozent in Anspruch nahm, präzisiert. Im Ergebnis wird der Spielraum für den Gesetzgeber beim Zuschnitt der Wahlkreise durch die Entscheidung deutlich reduziert.

Danach sind Abweichungen von der durchschnittlichen Zahl der Wahlberechtigten in den Wahlkreisen grundsätzlich nur noch innerhalb eines verfassungsrechtlich determinierten Toleranzbereichs von 15 Prozent nach oben oder unten zulässig. Abweichungen zwischen 15 Prozent und 25 Prozent sind nur in besonderen Ausnahmefällen zu rechtfertigen. Dabei steigen die Anforderungen an die Rechtfertigung mit dem Ausmaß der Abweichung. Je mehr sich die Abweichung der absoluten Grenze von 25 Prozent nähert, desto gewichtiger müssen die zur Rechtfertigung der Abweichung vorgetragenen Gründe sein. Abweichungen von mehr als 25 Prozent verstoßen, wie vom Niedersächsischen Gesetzgeber bereits bisher angenommen, stets gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Wahlgleichheit.

Diesen konkretisierten verfassungsrechtlichen Vorgaben wird der nach der Anlage zu § 10 Abs. 1 NLWG maßgebliche Zuschnitt der Wahlkreise für die Landtagswahl nicht gerecht.

Nach den jüngsten bis auf Gemeindeebene zur Verfügung stehenden Bevölkerungszahlen (Stand: 31. Dezember 2023) beträgt die Abweichung vom Wahlberechtigtenschnitt aller Wahlkreise in 33 der 87 Wahlkreise mehr als 15 Prozent. Neun dieser Wahlkreise weisen eine Abweichung von mehr als 20 Prozent auf, weitere vier Wahlkreise erreichen oder überschreiten mittlerweile die äußerstenfalls zulässige Abweichung von 25 Prozent.

Der niedersächsische Gesetzgeber ist daher gehalten, eine den Vorgaben des Urteils entsprechende Neuabgrenzung der Wahlkreise für die nächste reguläre Landtagswahl, die gemäß Art. 9 Abs. 2 NV frühestens 56 und spätestens 59 Monate nach dem Zusammentritt des 19. Landtags am 9. November 2022 und damit frühestens im Juli 2027 und spätestens im November 2027 stattfindet, vorzunehmen.

Um eine umfassende und gründliche parlamentarische Beratung über die notwendige Neueinteilung der Wahlkreise vorzubereiten und zu ermöglichen, enthalten die beigefügten Anlagen einen Überblick über die Wahlkreise, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Staatsgerichtshofs nicht mehr entsprechen, eine kursorische Zusammenstellung der bei der Wahlkreiseinteilung zu berücksichtigenden Parameter sowie einen Vorschlag, wie ein gesetzeskonformer Zuschnitt der 87 Wahlkreise unter Zugrundelegung der bestehenden Wahlkreise erfolgen kann. Unter Berücksichtigung der präzisierenden Vorgaben des Staatsgerichtshofs in dem o. g. Urteil verfolgen die skizzierten Änderungsoptionen zur Wahlkreiseinteilung das Ziel, dem Gesetzgeber eine parteipolitisch neutrale, ausschließlich von sachlichen Erwägungen getragene und sich innerhalb der verfassungsmäßigen Ordnung haltende Diskussions- und Entscheidungsgrundlage für eine möglichst demografiefeste Wahlkreisgestaltung an die Hand zu geben.

Da jede Änderung eines Wahlkreises die Änderung mindestens eines weiteren mit sich bringt, ist es angesichts der relativ großen Zahl der nicht mehr gesetzeskonformen Wahlkreiszuschnitte wenig überraschend, dass der vorgelegte Vorschlag den Neuzuschnitt von insgesamt 62 Wahlkreisen vorsieht. Das hängt auch damit zusammen, dass der Vorschlag neben der Anpassung bestehender Wahlkreise auch die Auflösung von zwei Wahlkreise im Osten des Landes und die räumliche Integration zweier neuer im Westen enthält, um den gegensätzlich verlaufenden demografischen Entwicklungen in den verschiedenen Landesteilen Rechnung zu tragen und die Möglichkeit einer bevölkerungsproportionalen Wahlkreisverteilung aufzuzeigen.

Es steht dabei außer Zweifel, dass auch andere Varianten der Wahlkreiseinteilung ebenso geeignet wären, verfassungskonforme Wahlkreise abzubilden. Gleichzeitig liegt es aber auf der Hand, dass auch andere Optionen weitflächige Änderungs- und Verlagerungsnotwendigkeiten in ähnlichem Umfang mit sich brächten.


 

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